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An dieser Stelle finden Sie über den Inhalt des Buchs „Evolution - ein kritisches Lehrbuch“ hinaus einen zusätzlichen Text zum Kapitel 8.3.1 „Erstmalige Entstehung eines primitiven genetischen Codes“.
Folgendes Gedankenexperiment veranschaulicht die Problematik. In einem sehr kleinen Volumen soll sich eine reine Mischung aus 1013 RNS-Oligonukleotiden mit ca. 20 Basen Länge befinden. Deren Sequenz soll zufällig sein. (Man hat solche reinen Zufallssequenzen im Labor hergestellt und darunter befanden sich Aminosäure-Aptamere.) Es soll angenommen werden, dass Aminosäure-Aptamere für 9 verschiedene Aminosäuren vorkommen (vgl. Yarus et al. 2005), und zwar jeweils in einer Kopienzahl von 105 Exemplaren. Insgesamt befänden sich damit etwa 106 Aminosäure-Aptamere unter 1013 Oligonukleotiden. Diese Aminosäure-Aptamere müssen nun zu Ketten verbunden werden, um ein primitives Gen zu bilden. Die in der Lösung vorkommenden Ligasen können jedoch nicht zwischen Aminosäure-Aptameren und den anderen, nicht funktionalen Oligonukleotiden unterscheiden, denn die reaktiven Gruppen sind chemisch identisch. Sie werden daher in stochastischer Weise die vorhandenen Oligonukleotide miteinander verküpfen. Dabei könnte es auch vorkommen, dass zufällig nur Aminosäure-Aptamere miteinander verbunden werden. Wenn dies mehrfach der Fall wäre, dann würden die notwendigen Folgen entstehen, die das in Abb. 8.10 dargestellte Modell für ein primitives Gen erfordert. Die Wahrscheinlichkeit* P, dass zwei Aminosäure-Aptamere verbunden werden, ist ungefähr 106 / 1013 = ca. 107. Generell gilt für die beschriebenen Randbedingungen (und nur für diese!) die Formel
wobei P die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich eine ununterbrochene Aminosäure-Aptamerfolge aus k Aminosäure-Aptameren bildet. Die Folge sollte ununterbrochen sein, weil man beim Einbau eines nicht Aminosäure bindenden Oligonukleotids einen Kettenabbruch der wachsenden Aminosäurekette annehmen muss. Nun wollen wir fragen, aus wie vielen Aptameren eine solche Kette bestehen muss, wenn sie für eine primitive, aus Aminosäuren aufgebaute RNS-Replikase codieren soll, welche die Verdopplung des Aptamer-Gens katalysiert. Wenn wir k = 30 Aptamere (entsprechend der codierten Zahl von Aminosäuren) annehmen, dann ergibt sich
Das ist zu niedrig, als dass man realistisch mit einem solchen Ereignis rechnen könnte. Selbst wenn ein primitives Replikase-Protein nur 10 Aminosäuren lang gewesen wäre, würde man mit k = 10 Aminosäure-Aptameren auf eine Wahrscheinlichkeit von
kommen. Das ist immer noch viel zu niedrig. Bei diesen Abschätzungen haben wir zudem angenommen, dass jede beliebige Aminosäuresequenz funktional sei. Diese Annahme ist unsinnig, man weiß ganz sicher, dass nur ein äußerst geringer Prozentsatz der möglichen Aminosäuresequenzen funktional ist (vgl. IV.8.4). Dies reduziert die Wahrscheinlichkeiten nochmals drastisch. Derartige Wahrscheinlichkeitsabschätzungen sind allerdings kein naturwissenschaftlicher „Beweis“, dass der genetische Code nicht durch Zufallsprozesse entstehen konnte. Sie sind auch nicht gleichzusetzen mit der experimentellen Falsifikation eines bestimmten Ursprungsmodells (dazu wären in der Tat Experimente nötig). Allerdings sollte man meinen, dass diese rein faktengestützte Argumente doch ein wenig dazu beitragen, spekulative ad hoc Hypothesen Ideen zur Entstehung des genetischen Codes nicht voreilig zu akzeptieren, nur weil diese im Rahmen eines naturalistisches Verständnisses der Biologie zwingend notwendig sind und deshalb in hochrangigen internationalen Zeitschriften publiziert werden konnten. * Unter „Wahrscheinlichkeit“ verstehen wir hier die Anzahl der möglichen Bindungen zweier Aptamer-Oligonukleotide im Verhältnis zu der Anzahl aller überhaupt möglichen Bindungen zwischen zwei Oligonukleotiden.
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Studiengemeinschaft WORT und WISSEN e.V.
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