Schöpfung: Schöpfungslehre und Wissenschaft

Zusammenfassung: In diesem Artikel wird gezeigt, wie unter der Vorgabe von Schöpfung fruchtbare, erkenntnisfördernde Wissenschaft betrieben werden kann. Außerdem werden Argumente diskutiert, mit denen einer Wissenschaft auf der Basis von Schöpfung das Existenzrecht bestritten wird, und gezeigt, weshalb diese Argumente nicht stichhaltig und daher zurückzuweisen sind.

Inhalt

Begriffsklärungen

Zum Verständnis der Ausführungen dieses Artikels ist wichtig, zwei verschiedene Ebenen zu unterscheiden, auf denen sich die z. T. gegensätzlichen Anschauungen über die Ursprünge einander gegenüberstehen. In Artikel Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft wird der Unterschied zwischen „Evolutionsparadigma“ und „Evolutionstheorien“ bzw. „-hypothesen“ genauer erläutert. Demnach wird unter „Evolutionsparadigma“ die allgemeine Anschauung verstanden, dass alle Lebensformen von andersartigen Vorläufern abstammen und letztlich auf einen oder allenfalls sehr wenige einzellige Vorläufer abstammungsmäßig zurückgehen. Außerdem soll unter diesen Begriff die allgemeine Aussage gefasst sein, dass die Evolution der Lebewesen durch ausschließlich natürliche Prozesse erfolgte. Dagegen sind mit „Evolutionstheorien“ konkrete Hypothesen und Theorien gemeint, die im Rahmen des Evolutionsparadigmas entwickelt werden. Dazu gehören z. B. Theorien über phylogenetische Zusammenhänge oder über Mechanismen der Evolution.

Eine ähnliche Differenzierung zwischen Paradigma und Hypothesen muss auch im Rahmen der Schöpfungslehre vorgenommen werden. Unter Schöpfungsparadigma sollen folgende weit gefasste Inhalte verstanden werden: Ein wesentliches Kennzeichen ist ein Ins-Dasein-Kommen „durch das Wort", das innerweltlich prinzipiell nicht herleitbar ist (Hebräer 11,3). Außerdem gehört eine primäre (schöpfungsgemäße) Abgrenzbarkeit von Grundtypen zum Schöpfungsparadigma. In diesem Sinne steht das Schöpfungsparadigma somit im direkten Gegensatz zum Evolutionsparadigma. Wie das Evolutionsparadigma ist das Schöpfungsparadigma nicht Teil einer Hypothese oder Theorie, sondern spannt einen Denkrahmen auf, innerhalb dessen Hypothesen und Theorien aufgestellt werden können.

Die konkreten Hypothesen und Theorien im Rahmen des Schöpfungsparadigmas sollen im folgenden unter dem Begriff „Grundtypenbiologie" zusammengefasst werden (vgl. VII.16.3 im Lehrbuch). Dazu gehören z. B. eine konkrete Definition des „Grundtyps" oder die Hypothese, dass alle Lebewesen als komplexe, polyvalente Grundtypen ihre Existenz begonnen haben (vgl. VII.16.4 im Lehrbuch) und primär voneinander abgegrenzt waren, und manches andere. Solche Aussagen erlauben Testmöglichkeiten und können widerlegt werden.

Die Begriffe „Schöpfungstheorie“ oder „Schöpfungshypothese“ sind problematisch, weil sie suggerieren, dass sie Schöpfungsvorgänge beschreiben würden, die per definitionem weder untersuchbar noch gar gesetzmäßig erfassbar sind. Weiter suggerieren diese Begriffe, das göttliche Wirken sei Bestandteil einer Theorie. Das ist jedoch nicht möglich. Daher werden diese Begriffe in diesem Artikel nicht verwendet.

Konkrete, testbare Hypothesen können in verschiedenen Wissensgebieten im Rahmen des Schöpfungsparadigmas aufgestellt werden. In diesem Artikel geht es jedoch vornehmlich um biologische Sachverhalte.

Die noch allgemein gefassten, grundlegenden Aussagen der Bibel zum Thema „Schöpfung“ müssen also konkretisiert werden, um zu prüfbaren Hypothesen zu gelangen.

Als weiterer Begriff soll noch Naturalismus eingeführt werden. Nach dem philosophischen Naturalismus werden die natürliche Welt (der Mensch eingeschlossen) und die sie erklärenden Wissenschaften „als alleinige und hinreichende Basis zur Erklärung aller Dinge" betrachtet. Transzendente Einflüsse werden ausgeschlossen. In diesem Artikel soll der Begriff „Naturalismus" in diesem Sinne, also philosophisch, verstanden werden und nicht nur als Forschungsmethode.

Besonderheiten historischer Forschung

Im Genesisnet-Artikel Methodik der historischen Forschung wurden einige Feststellungen über historische Forschung im allgemeinen getroffen, die bei der Beurteilung von Hypothesen und Theorien im Rahmen des Schöpfungsparadigmas bedacht werden müssen. Die wichtigsten Ergebnisse sollen hier zunächst zusammengefasst werden:

– In historischen Fragestellungen können nur in eingeschränkter Form Vorhersagen gemacht werden.

– Historische Rekonstruktionen erlauben kaum Falsifizierungsmöglichkeiten.

– In historischen Fragen werden Daten im Nachhinein in ein Szenario eingepasst.

– Der in Rede stehende Vorgang ist nicht der unmittelbare Gegenstand der Forschung; vielmehr müssen konkrete Szenarien hypothetisch abgeleitet werden, die Prüfmöglichkeiten erlauben.

Diese Aussagen gelten sowohl für Hypothesen, die im Rahmen des Evolutionsparadigmas aufgestellt werden, als auch für Hypothesen im Rahmen des Schöpfungsparadigmas. Viele Kritikpunkte, die an eine Wissenschaft gerichtet werden, die von einer Schöpfung ausgeht, treffen daher gar nicht spezifisch das Schöpfungsparadigma oder untergeordnete Hypothesen in dessen Deutungsrahmen, sondern liegen in der Natur aller historischen Rekonstruktionen. Dies wird im Genesisnet-Artikel Methodik der historischen Forschung erläutert und begründet.

Angesichts der Tatsache, dass einer schöpfungsorientierten Wissenschaft häufig pauschal das Existenzrecht bestritten wird, sollen zunächst Kritikpunkte an dem Unternehmen Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas dargestellt werden.

Kritik an schöpfungsorientierter Wissenschaft

1. Das Schöpfungsparadigma sei unrevidierbar und offenbare daher eine unüberbrückbare methodologische Kluft zu wissenschaftlichen Forschungsprogrammen, die alles auf den Prüfstand stellen, einschließlich ihrer weltanschaulichen Grundlagen.

2. Das Schöpfungsparadigma erlaube keine konkreten Vorhersagen, aus ihm könnten beliebige Schlussfolgerungen gezogen werden, es mache keine Verbote an die Empirie; daher sei es nicht falsifizierbar. Jedoch: „Nur durch das Ausscheiden einer Menge logisch möglicher Beobachtungsaussagen ist ein Gesetz oder eine Theorie aussagekräftig“ (Chalmers 2001, 54f.). Oder in anderen Worten: Wissenschaftliche Theorien sollen Erklärungskraft besitzen, d.h., sie sollen nicht alles erklären können, sondern nur genau, das, was erklärt werden soll (Mahner 2002). Dies treffe auf das Schöpfungsparadigma nicht zu.

3. Das Schöpfungsparadigma sei heuristisch unfruchtbar; aus ihm folgten keine Anleitungen für Erkenntnisgewinnung.

4. Das Schöpfungsparadigma verhindere Forschung, weil beim Auftreten offener Fragen auf das wundersame Handeln eines Schöpfers verwiesen werde. Neukamm (2004) behauptet sogar, das Schöpfungsparadigma ersticke Forschungsanstrengungen der Wissenschaft bzw. das rationale Begreifen kausaler Zusammenhänge im Keim. Mehr noch: Evolutions- und Naturalismuskritik richteten sich gegen die Wissenschaft selbst.

5. Im Rahmen des Schöpfungsparadigmas könne nach Belieben auf übernatürliche Eingriffe rekurriert werden; es gebe keine Garantie für Gesetzmäßigkeiten.

6. Im Rahmen des Schöpfungsparadigmas könne keine ergebnisoffene Wissenschaft betrieben werden.

Es gibt in der Tat einen grundlegenden Unterschied zwischen dem Schöpfungsparadigma und dem Naturalismus (siehe dazu den folgenden Abschnitt). Dennoch sind alle oben genannten Argumente gegen das Existenzrecht einer Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas anfechtbar. Dies soll in diesem Artikel gezeigt werden. Weiter wird erläutert, wie Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas funktioniert, warum sie heuristisch fruchtbar sein kann, und dass falsifizierbare Hypothesen aufgestellt werden können. Die Hauptthese wird sein, dass der wesentliche Unterschied zwischen Wissenschaft im Rahmen des Naturalismus und im Rahmen des Schöpfungsparadigmas nicht in den Methoden der Erkenntnisgewinnung liegt, sondern darin, dass im Rahmen des Schöpfungsparadigmas bestimmte übernatürliche Eingriffe vorausgesetzt werden und die Möglichkeit weiterer Eingriffe offengehalten wird. Dies hat zur Folge, dass es teilweise verschiedene Erwartungen beim Test von Hypothesen und zum Teil verschiedene Fragestellungen gibt. Beispielsweise wird nach Indizien für „Schöpfung“ gesucht; diese Möglichkeit berücksichtigt der Naturalismus dagegen nicht. Alle anderen behaupteten Unterschiede erweisen sich bei genauerer Analyse als aufgebauscht oder als gegenstandslos.

Schöpfungsparadigma und Naturalismus

Was ist im Rahmen des Schöpfungsparadigmas anders als im Naturalismus? „Schöpfung“ bedeutet ein Ins-Dasein-Bringen durch Befehle, aufgrund des Willens Gottes (durch das Wort). Das bedeutet; Das Sichtbare (die Phänomene) ist nicht aus Seinesgleichen entstanden (in Anlehnung an Hebräer 11,3). Diese Charakterisierung ist noch sehr allgemein gehalten, denn es wird damit nicht konkret gesagt, was genau durch Gottes Wort unableitbar ins Dasein gekommen ist. Klar ist nur: Es muss mit Grenzen der Erforschbarkeit gerechnet werden, wenn die Ursprünge erforscht werden. Wo diese Grenzen liegen, ist aber nicht von vornherein klar, sondern diese müssen durch Forschung ausgelotet werden. Daraus ergibt sich schon eine erste Entgegnung auf den verbreiteten Einwand, bei Vorgabe von „Schöpfung“ stünden die Ergebnisse von vornherein fest und Forschung würde sich erübrigen oder solle nur das bereits Feststehende bestätigen. Man kann das Unternehmen „Forschung im Rahmen des Schöpfungsparadigmas“ auch damit begründen, dass die Option creatio ex nihilo nicht a priori ausgeschlossen werden kann. Von vornherein feststehende Vorgaben aufgrund von Offenbarung gibt es nur in allgemeiner Form. Diese Situation ist vergleichbar mit der allgemeinen Vorgabe des Evolutionsparadigmas, in dessen Rahmen Evolutionsforschung betrieben wird. Auch dort wird dieser Rahmen durch Forschung gefüllt. In beiden Fällen liegt ein Paradigma zugrunde und man sucht nach passenden Beobachtungen bzw. versucht, die gewonnenen Daten entsprechend einzupassen.

Die Schilderungen des Schöpfungsberichts konkretisieren die allgemeine Vorgabe: Gott hat die Lebewesen nach ihrer Art geschaffen. Das heißt: „Schöpfung durch das Wort“ beinhaltet konkret das Hervorbringen fertiger Lebewesen und eine primäre Grenze zwischen den „geschaffenen Arten“. Dies ist im Vergleich zu den Vorgaben des Naturalismus sehr konkret und hier liegt auch ein wirklicher Unterschied zwischen dem Schöpfungsparadigma und dem Naturalismus vor. „Schöpfung“ im biblischen Sinne bedeutet konkrete inhaltliche Vorgaben. Dies impliziert, dass der Ursprung des Lebens und der Ursprung der Grundtypen mechanismisch nicht beschrieben werden kann. (Dass dies dennoch Forschung nicht erübrigt oder einschränkt, wird Abschnitt „Forschung ohne Naturgesetze?“ in Anhang 3 zu diesem Artikel gezeigt.) Zudem kann mit guten Gründen in Frage gestellt werden, ob es für Makroevolution überhaupt einen Mechanismus gibt. Der Unterschied zwischen beiden Paradigmen lautet nicht, dass das Evolutionsparadigma einen Makroevolutionsmechanismus vorweisen könne, das Schöpfungsparadigma dagegen nicht, sondern dass im einen Fall die Existenz eines natürlichen Mechanismus erwartet wird, im anderen nicht.

Der Naturalismus dagegen macht keine vergleichbaren konkreten Vorgaben, sondern setzt nur voraus, dass es keine übernatürlichen Eingriffe in die Natur gibt. Man kann den Unterschied auch so fassen: Das Schöpfungsparadigma bezieht Informationen aus der biblischen Offenbarung, also einer Mitteilung Gottes über Sachverhalte, über die auf anderem Wege keine Kenntnis gewonnen werden könnte. Die Auseinandersetzung um die Ursprungsfrage kreist damit letztlich um die Frage, ob die biblische Offenbarung wahr ist. Denn wenn sie wahr ist, dann ist der Einwand, eine solche Vorgabe sei unwissenschaftlich, irrelevant – mindestens dann, wenn es in der Wissenschaft darum geht, sich der Wahrheit anzunähern. Wie kann man unter der Vorgabe einer Offenbarung Wissenschaft betreiben? Diese Frage stellt sich selbst dann, wenn man nicht an Offenbarung glaubt, die Möglichkeit einer Offenbarung aber nicht ausschließen kann.

Die Vorgabe der Erschaffung fertiger Arten – im folgenden als Grundtypen bezeichnet – ist aber immer noch relativ ungenau, denn es wird in der Bibel keine Auskunft darüber gegeben, was unter den „geschaffenen Arten“ (den Grundtypen) zu verstehen sei. Einzig beim Menschen ist klar, dass er als Mensch „zum Bilde Gottes“ geschaffen wurde (Genesis 1,27). Weiter ist offen, ob und in welchem Ausmaß die Grundtypen veränderbar sind. Damit ist an dieser Stelle schon klar: Für Forschung im Rahmen dieser Vorgabe steht ein weites Feld offen (siehe Tab. S. 318 im Lehrbuch).

Der Bezug auf Offenbarung und damit verbundene konkrete Vorgaben betrifft auch die Rekonstruktion der Erd- und Kosmosgeschichte, die in diesem Artikel weitgehend ausgeblendet bleiben. Die biblischen Vorgaben sind einerseits auch in diesem Bereich sehr allgemein (die Bibel sagt nichts direkt über Geologie und Paläontologie und nur sehr wenig über Astronomie), andererseits durch die Vorgaben einer Kurzzeit-Schöpfung und einer weltweiten Sintflut sehr konkret.

Eine „andere Wissenschaft"?

Bedeutet der Bezug auf Offenbarung eine andere Art von Naturwissenschaft? Dieser Frage soll an dieser Stelle anhand einiger Aussagen von Hemminger (1988) nachgegangen werden. Hemminger schreibt: „Der Unterschied zwischen herkömmlicher Wissenschaft und Kreationismus betrifft den ... Aspekt ... der Empirie. Er bedeutet, dass die Naturwissenschaft sich allein und ausschließlich an der objektiven Erfahrung mit der Natur orientiert.“ Dieser Grundsatz, so Hemminger weiter, werde im Kreationismus verändert, da er davon ausgehe, „daß eine naturwissenschaftliche Theorie sowohl mit der Erfahrung als auch mit dem Bibelwort übereinstimmen muß.“ Hemminger nennt dieses Vorgehen „inspiriert-empirisch". Die Anfrage Hemmingers ist berechtigt, weil die methodische Vorgehensweise im Kreationismus häufig willkürlich erscheint. Das ist aber nur dann der Fall, wenn Gottes Handeln bei Bedarf ad hoc herangezogen wird, um Erklärungsschwierigkeiten zu überwinden (Hemminger erwähnt solche Beispiele), aber auch, wenn Gottes Handeln (vermeintlich!) als Theoriebestandteil auftritt, was es prinzipiell nicht sein kann. Dem soll die in diesem Artikel vorgenommene Differenzierung zwischen Schöpfungsparadigma und Grundtypenbiologie Rechnung tragen. Im Rahmen der Grundtypenbiologie wird keine „andere Naturwissenschaft" betrieben. In dessen Rahmen werden Hypothesen nicht mehr und nicht weniger an der Empirie gemessen als Hypothesen im Rahmen des Evolutionsparadigmas.

Der Unterschied, den Hemminger sieht, liegt an einer anderen Stelle, nämlich in den Voraussetzungen. Das Schöpfungsparadigma macht konkretere Vorgaben als das Evolutionsparadigma und nimmt Bezug auf Offenbarung. Wird der Unterschied zwischen Schöpfungsparadigma und Grundtypenbiologie beachtet, erweist sich die Ansicht, im Rahmen des Schöpfungsparadigmas müsse eine naturwissenschaftliche Theorie „sowohl mit der Erfahrung als auch mit dem Bibelwort übereinstimmen“ (s. o.) in dieser plakativen Form als fragwürdig. Denn die konkreten Theorien sind zwar vom Schöpfungsparadigma motiviert sind und sollen zu diesem passen, werden dann aber anhand empirischer Daten geprüft und ggf. auch falsifiziert. Die Vorgehensweise ist auf dieser Ebene nicht grundsätzlich anders als im Rahmen des Evolutionsparadigmas: Dessen konkrete Theorien sind ebenfalls vom Paradigma motiviert und sollen zu ihm passen.

Hemminger schreibt weiter: „Die Naturwissenschaft entstand historisch aufgrund der Entscheidung, naturkundliche Fragen eben nicht nach dem geschriebenen Wort zu beurteilen, sondern anhand der Natur selbst.“ Was aber sind naturkundliche Fragen? Ist der Ursprung des Kosmos, der Lebewesen, des Menschen eine naturkundliche Frage? Zweifellos nicht nur! Soweit man mit der naturwissenschaftlichen Methode Daten über die Natur in Erfahrung bringen kann, soll diese Methode auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas nach allen Regeln der Kunst ausgeschöpft werden. Dabei wird auch vieles in Erfahrung gebracht, was zur Beantwortung der Ursprungsfrage relevant ist. Das gilt uneingeschränkt auch für wissenschaftliches Arbeiten unter der Vorgabe des Schöpfungsparadigmas. Doch damit erhalten wir noch keine Antwort auf die Ursprungsfrage, sondern nur Anhaltspunkte.

Der strittige Punkt ist zudem, ob die Frage nach den Ursprüngen überhaupt zurecht nur an die Natur gestellt wird. Naturwissenschaft beschäftigt sich mit dem „Buch der Natur“, aber wie steht es mit dem „Buch der Naturgeschichte“? Im Genesisnet-Artikel Methodik der historischen Forschung wird gezeigt, dass die Naturwissenschaft zu diesem Buch nur sehr eingeschränkten Zugang hat. Der Forschungsgegenstand bestimmt die Forschungsmethode – dieser Grundsatz wird nicht beachtet, wenn die naturwissenschaftliche Methode als allein adäquat für die Erforschung der Geschichte des Lebens angesehen wird.

Die entscheidende Frage ist also nicht die nach einer anderen Methode, sondern ob es Offenbarung zur Ursprungsfrage gibt und berücksichtigt werden muss. Natürlich scheiden sich hier die Geister. Wie man mit Offenbarung methodisch umgeht, ist bei Bejahung dieser Grundfrage dann der zweite Schritt. Wie dies auf rationale Weise auch für Andersdenkende nachvollziehbar erfolgen kann, soll mit diesem Artikel und anderen Genesisnet-Artikeln gezeigt werden.

Das von Hemminger so bezeichnete Prinzip „Übereinstimmung mit der biblischen Naturkunde“ gehört nach dem Gesagten nicht in den Kontext der Prüfung von Hypothesen, sondern in den Kontext der Voraussetzungen, unter denen Hypothesen formuliert werden, also zum Schöpfungsparadigma. Dieser Unterschied muss in der methodischen Vorgehensweise beachtet werden.

Verhindert die Annahme von „Schöpfung“ empirische Forschung?

Wenn man „Schöpfung“ als Erklärung heranzieht, verzichtet man an bestimmten Stellen auf Erklärungen, die mit natürlichen Mechanismen operieren, bzw. schließt die Möglichkeit solcher Erklärungen punktuell aus. Doch bedeutet dies Forschungsverzicht im Rahmen des Schöpfungsparadigmas? Im Schöpfungsparadigma steht nicht von vornherein genau fest, wo die natürlichen Mechanismen nicht greifen. Genau dies kann und soll nur durch Forschung ausgelotet werden. Keineswegs geht es darum, Wissenslücken nach Belieben durch Hinweise auf Schöpfungsakte zu füllen, sondern Erkenntnisgrenzen anzuerkennen, wenn sie sich trotz aller Forschungsbemühungen hartnäckig bemerkbar machen. Die Annahme von „Schöpfung“ verhindert empirische Forschung also in keiner Weise.

Der Vorwurf, man würde bei Vorgabe von „Schöpfung“ auf das rationale Begreifen kausaler Zusammenhänge verzichten und die wissenschaftliche Zielsetzung verlassen, trifft nicht zu. In Wirklichkeit gibt es keine einzige wissenschaftliche Erkenntnis, die durch die Annahme einer Schöpfung abzulehnen wäre oder verhindert werden würde. Die Wissenschaft arbeitet mit Methoden, die auch im Rahmen des Schöpfungsparadigmas uneingeschränkt angewendet werden (sofern sie ethisch vertretbar sind). Die Zielsetzung, die Reichweite natürlicher Prozesse auszuloten und kausale Zusammenhänge zu ermitteln, ist sogar dieselbe. Allerdings wird im Rahmen des Schöpfungsparadigmas nicht das Ziel verfolgt, eine naturgesetzliche Entstehung des Lebens und seiner Vielfalt zu erreichen. Ob dieses Ziel überhaupt realistisch ist, steht ja von vornherein erst einmal gar nicht fest; es handelt sich nur um ein hypothetisches Ziel. Der Ansatz des „Intelligent Design“ trägt dem Rechnung. Denn er strebt dadurch ein volles Verständnis natürlicher Vorgänge an, dass alle Möglichkeiten für den Ursprung biologischer Systeme – Zufall, Gesetzmäßigkeit und Intelligent Design – offengehalten werden.

Abgelehnt wird im Grunde nur, Makroevolution als Tatsache hinzustellen. Die Behauptung von Mahner (1989, 34; ähnlich Neukamm 2004), „wir müssten uns von einem Großteil unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse und Disziplinen trennen, nämlich von allen, die direkt oder indirekt deren [der Evolutionstheorie] Aussagen stützen“, wenn der Kreationismus recht hätte, ist falsch. Trennen müsste man sich von manchen Interpretationen, aber weder von Daten noch gar von ganzen Disziplinen. Daten erlauben in der Regel unterschiedliche Deutungen im Rahmen verschiedener Paradigmata. Man kann hier den Kritikern nur entgegenhalten: Zeige mir die Daten oder die Disziplinen, die im Rahmen des Schöpfungsparadigmas verloren gehen, und ich zeige Dir, weshalb das nicht stimmt. Daher treffen Behauptungen über Ansätze der Schöpfungslehre, wonach die Wissenschaften mit den Postulaten des Kreationismus stehen und fallen würden (Neukamm 2004, 10) nicht zu. Zum einen werden im Rahmen des Schöpfungsparadigmas keinerlei empirische Daten unterdrückt, zum anderen aber wird dem Evolutionsparadigma und darauf gründender Wissenschaft schließlich nicht das Existenzrecht bestritten. Die Formulierung Neukamms (2004, 11), man sei „primär an der Durchsetzung dogmatisch verengter Bibelinterpretationen interessiert“, trifft in dieser Pauschalität keineswegs zu. Es geht nicht um ein Ersetzen oder Durchsetzen, sondern um Konkurrenz. Das gilt insbesondere für wissenschaftliche Aspekte. Auf der Ebene der wissenschaftlichen Diskussion versteht sich das Schöpfungsparadigma nicht als einzig möglicher Ansatz, der anderen das Existenzrecht bestreitet.

Schöpfungsparadigma und untergeordnete Hypothesen und Theorien

Für den Fortgang der Argumentation muss an die oben vorgenommene wichtige Unterscheidung zwischen Schöpfungsparadigma und Grundtypenbiologie erinnert werden. Das Schöpfungsparadigma ist nicht Teil einer Hypothese oder Theorie, sondern spannt einen Denkrahmen auf, innerhalb dessen Hypothesen und Theorien aufgestellt werden können. Das Schöpfungsparadigma selber ist nicht falsifizierbar. Durch „Schöpfung“ könnte man nämlich alles erklären, indem man alles, was immer man auch beobachtet, als so von Gott geschaffen deklariert. Vom Schöpfungsparadigma müssen also konkrete Hypothesen abgeleitet werden, die Testmöglichkeiten und Falsifizierungen erlauben. Diese Hypothesen werden unter der Grundtypenbiologie subsummiert.

Es sei daran erinnert, dass es kein Spezifikum des Ansatzes „Schöpfung“ ist, dass er nicht falsifiziert werden kann. Das gilt, wie gezeigt, auch für den nicht näher konkretisierten Ansatz „Evolution“ (zur Begründung siehe den Artikel „Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas“ (PDF). Man kann etwas pointiert sagen: Zeige mir eine Widerlegungsmöglichkeit des Evolutionsparadigmas und ich zeige dir, wie man sie abwehren und das Paradigma beibehalten kann.

Abb. 1 Zusammenhang zwischen Schöpfungsparadigma, Hypothesen, Schlussfolgerungen, Prüfbarkeit. Die naturwissenschaftliche Methode bewegt sich im Bereich (3) bis (6). Ein zwingender Rückschluss auf (1) ist nicht möglich, sondern nur Plausibilitätsbetrachtungen. Modifiziert nach Junker (1994)

Abb. 1 soll die Beziehung zwischen dem Schöpfungsparadigma und untergeordneten Hypothesen und Theorien illustrieren. Die Aussagen des Schöpfungsparadigmas (1) sind zu allgemein, um Tests zu ermöglichen. Daher müssen sie konkretisiert werden (2). Diese Konkretisierungen sind aber keine zwingenden Ableitungen aus (1), sondern nur mögliche Aussagen, die im Rahmen von (1) naheliegend sind oder ihm mindestens nicht widersprechen. Im Rahmen der biblischen Schöpfungslehre muss bei diesem Schritt der Auslegungsspielraum der zugrundeliegenden biblischen Texte beachtet werden. (Auf die damit verbundenen exegetischen Fragen wird hier nicht eingegangen; vgl. dazu Junker 1994, Kapitel 5.) Aus (2) ergeben sich Hypothesen, die zu Theorien zusammengefasst werden können (3), z. B. Hypothesen der Grundtypenbiologie. Alle darauf folgenden Schritte unterscheiden sich nicht von der üblichen naturwissenschaftlichen Methode. Da die Ableitung von (1) nach (3) nicht zwingend ist, kann eine Bestätigung von (3) auch kein Beweis von (1) darstellen. Konkret: Bewährt sich das weiter unten dargestellte Grundtypkonzept, liefert das keinen Beweis für Schöpfung; wohl aber liefert eine Bewährung Plausibilitätsargumente dafür.

Eine zwingende Ableitung eines ganz bestimmten Grundtypmodells aus dem biblisch orientierten Schöpfungsparadigma ist nicht möglich, da das Paradigma dafür zu weit gefasst ist. Aber es ist auch nicht möglich, beliebige Hypothesen aus dem Schöpfungsparadigma abzuleiten. Zwingend erscheint nur die Abgrenzungsmöglichkeit auf dem Grundtypniveau.

Für die Darstellung der Forschung im Rahmen des Evolutionsparadigmas kann ein Schema mit gleicher Struktur verwendet werden (man muss in Abb. 1 nur „Evolutionsparadigma“ anstelle von „Schöpfungsparadigma“ setzen). Auch hier gilt, dass die Bewährung von einzelnen Evolutionstheorien keine Beweise für ein allgemeines Evolutionsparadigma liefern, sondern nur dessen Plausibilität erhöhen. Sollte es beispielsweise in Simulationsexperimenten gelingen, Makromoleküle der Lebewesen ohne steuernde Eingriffe herzustellen, stünde das in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Lebensentstehung auf unserer Erde, sondern böte lediglich ein Plausibilitätsargument für eine abiogenetische Entstehung von Makromolekülen auf der hypothetischen frühen Erde.

Oft wird behauptet, aus dem Schöpfungsparadigma folgten beliebige Vorhersagen; man könne alles vorhersagen und zu jeder einzelnen Vorhersage auch deren Gegenteil. In den Genesisnet-Artikeln Methodik der historischen Forschung und Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft wurde jedoch gezeigt, dass Vorhersagen (bzw. Erwartungen) in historischen Rekonstruktionen allgemein sehr problematisch sind; die Schwierigkeit von Vorhersagen tut sich nicht nur in der Forschung im Rahmen des Schöpfungsparadigmas auf. Aber schon wenn das Schöpfungsparadigma im biblischen Sinne (noch abgesehen von erdgeschichtlichen Fragen) konkretisiert wird, trifft die Behauptung, man könne alles aus dem Schöpfungsansatz schlussfolgern, bei weitem nicht mehr zu. Im übrigen muss man hierzu von Fall zu Fall die Sachlage prüfen.

Ist das Schöpfungsparadigma falsifizierbar?

Im Genesisnet-Artikel Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft wird die Frage aufgeworfen, ob das Evolutionsparadigma falsifizierbar sei und festgestellt, dass dies strenggenommen nicht der Fall ist, jedoch die Plausibilität des Paradigmas mit bestimmten Befunden steht oder fällt. Dies trifft auch auf das Schöpfungsparadigma zu. Wenn das Schöpfungsparadigma sehr allgemein formuliert wird, ist es in der Tat nicht falsifizierbar. Dann trifft die Kritik von Neukamm (2004, 5) zu: „Selbstverständlich kann man das Fehlen von Fossilien und Zwischenformen in Schöpfungsmodellen ebenso problemlos unterbringen, wie den Nachweis beliebiger Bindeglieder (denn prinzipiell können alle denkbaren Fossilien als diskret erschaffene Arten gedeutet werden). Ferner kann man die sukzessive Artentstehung ebenso gut mit der Schöpfungshypothese vereinbaren, wie die gleichzeitige Entstehung aller Lebensformen usw.“ (Hervorhebung im Original). Im Genesisnet-Artikel Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft wird jedoch gezeigt, dass eine vergleichbare Kritik auch auf das Evolutionsparadigma zutrifft. Daher müssen im Rahmen des Schöpfungsparadigmas genauso wie im Rahmen des Evolutionsparadigmas Hypothesen formuliert werden, die das Paradigma konkretisieren.

Neukamms Einwand muss noch in einer weiteren Hinsicht relativiert werden. Wenn Hypothesen oder Theorien, die im Rahmen des Schöpfungsparadigmas formuliert werden, sich immer wieder nicht bewähren, verliert auch das zugrundeliegende Paradigma an Plausibilität, wenn es auch nicht widerlegt wird. Um es beispielhaft konkret auf den Punkt zu bringen: Durch den Nachweis „beliebiger Bindeglieder“ würde das Schöpfungsparadigma an Plausibilität verlieren. Und beispielsweise die Hypothese, dass auf dem Grundtypniveau auch unter Fossilien sich abgrenzbare Einheiten nach geeigneten Kriterien erkennen lassen, kann sich je nach Befundlage bewähren oder auch nicht. Diese Hypothese verträgt nicht beliebige Befunde.

Zusammenfassung anhand der vorgebrachten Kritikpunkte

Eingangs dieses Artikels wurden sechs Kritikpunkte zusammengestellt, mit denen die Möglichkeit einer Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas bestritten wird. Diese Kritikpunkte sollen hier noch einmal aufgegriffen und zusammenfassend beantwortet werden. Dabei ist noch einmal die Unterscheidung der Ebenen von Paradigma und untergeordneten Hypothesen und Theorien wichtig. In den folgenden Antworten wird auch Bezug auf andere Artikel genommen, dennoch sollen die Antworten hier im Gesamten präsentiert werden.

1. Das Schöpfungsparadigma ist unrevidierbar und offenbart daher eine unüberbrückbare methodologische Kluft zu wissenschaftlichen Forschungsprogrammen, die alles auf den Prüfstand stellen, auch ihre weltanschaulichen Grundlagen.

Antwort: Auch der Evolutionsforschung liegt ein feststehendes Paradigma zugrunde und man sucht nach passenden Beobachtungen bzw. versucht, die gewonnenen Daten entsprechend einzupassen, ohne dabei das Paradigma auf den Prüfstand zu stellen. Es gibt heute keine Evolutionstheoretiker, die mit dem Ziel forschen, das Evolutionsparadigma in Frage zu stellen. Damit wird das Evolutionsparadigma de facto nicht zur Disposition gestellt, sondern hat dogmatischen Charakter. Folglich ist das dogmatische Festhalten an paradigmatischen Grundlagen kein Spezifikum für Forschung und Theoriebildung im Rahmen des Schöpfungsparadigmas. Theorien hingegen, die im Rahmen der jeweiligen Paradigmen entwickelt werden, stehen jederzeit zur Disposition. Das gilt auch für die Grundtypenbiologie, die im Rahmen des Schöpfungsparadigmas betrieben wird (vgl. 17.3 und 17.4 im Lehrbuch).

2. Im Rahmen des Schöpfungsparadigmas kann keine ergebnisoffene Wissenschaft betrieben werden.

Antwort: Eine ergebnisoffene Wissenschaft hält die Möglichkeit offen, dass es Grenzen der Erforschbarkeit gibt, wenn die Ursprünge erforscht werden. Niemand weiß von vornherein, ob es solche Grenzen gibt und ggf., wo sie liegen. Im Rahmen des Schöpfungsparadigmas gibt es von vornherein feststehende Vorgaben aufgrund von Offenbarung nur in relativ allgemeiner Form. Nur in diesem Sinne ist die Ergebnisoffenheit eingeschränkt. Aber auch hier gibt es ein Pendant in der evolutionsbiologischen Forschung, in welcher auch keine beliebige Offenheit in den Rahmenvorgaben gegeben ist.

Die Vorgabe der Erschaffung fertiger, polyvalenter Grundtypen ist relativ unpräzise, denn es wird keine Auskunft darüber gegeben, was unter den Grundtypen zu verstehen sei, worin im einzelnen ihre Polyvalenz besteht und in welchem Ausmaß es Polyvalenz überhaupt gibt. Einzig beim Menschen ist klar, dass er als Mensch „zum Bilde Gottes“ geschaffen wurde und dass alle Menschenformen von einem einzigen Paar abstammen. Weiter ist offen, ob und in welchem Ausmaß die Grundtypen veränderbar sind. Damit ist klar: Forschung ist im Rahmen der Grundtypenbiologie ergebnisoffen.

3. Das Schöpfungsparadigma erlaubt keine konkreten Vorhersagen, aus ihm können beliebige Schlussfolgerungen gezogen werden, es macht keine Verbote an die Empirie; daher ist es nicht falsifizierbar.

Antwort: Vorhersagen in historischen Rekonstruktionen sind allgemein sehr problematisch; die Schwierigkeit von Vorhersagen tut sich nicht nur in der Forschung im Rahmen des Schöpfungsparadigmas auf.

Aber wenn das biblische Schöpfungsparadigma (noch abgesehen von erdgeschichtlichen Fragen) konkretisiert wird (Grundtypenbiologie), trifft die Behauptung, man könne alles aus diesem Ansatz schlussfolgern und es gebe keine Verbote an die Empirie, bei weitem nicht zu.

4. Das Schöpfungsparadigma ist heuristisch unfruchtbar; aus ihm folgen keine Anleitungen für Erkenntnisgewinnung.

Antwort: Diese Kritik ist sehr weit von der Realität entfernt. Die schöpfungsparadigmatisch motivierte Grundtypenbiologie hat viele Erkenntnisinteressen. Diese überschneiden sich zum Teil mit den Fragestellungen der Evolutionsforscher (wobei meistens verschiedene Erwartungen an die Empirie gerichtet werden), zum Teil handelt es sich um Fragestellungen, die Evolutionstheoretiker nicht verfolgen. Nachfolgend werden stichwortartig einige Fragestellungen genannt, die aus dem Grundtypen- und dem ID-Ansatz (vgl. VII.16.6 im Lehrbuch) resultieren und Anleitungen für Erkenntnisgewinnung darstellen. Erkenntnisinteresse besteht beispielsweise in folgenden Fragestellungen und Themen:

– Klärung der Evolutionsmechanismen. Dabei wird im Rahmen der Grundtypenbiologie erwartet, dass sich mit zunehmenden Kenntnissen Grenzen der Veränderlichkeit abzeichnen werden. Ob es diese Grenzen gibt und wo sie liegen, kann nur durch Forschung ermittelt werden (vgl. 2.) und ist keine Vorgabe einer Offenbarung. Das gilt auch für alle nachfolgenden Punkte.

– Gibt es Indizien für schnelle Diversifikation (= Verschiedenwerden) innerhalb von Grundtypen?

– Untersuchungen auf irreduzible Komplexität. Ob ein System irreduzibel komplex ist, kann nur durch eingehende Untersuchungen festgestellt werden.

– Können Grundtypen durch wenigstens eine irreduzible komplexe Struktur voneinander unterschieden werden?

– Gibt es Indizien für Polyvalenz? (vgl. VII.16.4 im Lehrbuch)

– Können primäre Grundtypgrenzen plausibel gemacht werden? Hierzu ist detailliertes taxonomisches Wissen auf allen biologischen Ebenen erforderlich.

– Gibt es Indizien für Intelligent Design, woran werden sie erkannt? (vgl. VII.16.4 im Lehrbuch)

– Ordnung der höheren Taxa: Baum oder Netzwerk?

– Klärung von Funktionen bei vermeintlichen Fehlkonstruktionen, Umwegentwicklungen in der Ontogenese etc.

5. Das Schöpfungsparadigma verhindert Forschung, weil beim Auftreten offener Fragen auf das wundersame Handeln eines Schöpfers verwiesen wird.

Antworten: 1. Im Schöpfungsparadigma steht nicht von vornherein genau fest, wo die natürlichen Mechanismen nicht greifen. Genau dies kann und soll nur durch Forschung ausgelotet werden. Nur ein willkürlicher Bezug auf das Wunderhandeln Gottes würde Wissenschaft ad absurdum führen. Die Annahme von „Schöpfung“ kann aber unter Umständen empirische Forschung insofern verhindern, als bestimmte Fragestellungen als nicht lohnend betrachtet werden (vgl. Abschnitt „Forschung ohne Naturgesetze?“ in Anhang 3 zu diesem Artikel). Das aber trifft nicht exklusiv auf das Schöpfungsparadigma zu, sondern auch auf das Evolutionsparadigma, denn auch die davon geleitete Forschung geht manchen Fragestellungen nicht nach, weil sie als irrelevant betrachtet werden. Das liegt in der Natur der Sache, denn jede Forschung ist interessegeleitet und verfolgt daher manche Fragen eher als andere. Hier sei eine kritische Rückfrage gestellt: Welche wissenschaftliche Erkenntnis wurde durch die Annahme einer Schöpfung verhindert oder könnte in Zukunft verhindert werden?

2. Um das Unvollkommenheits-Argument zu entkräften, ist Forschung notwendig. Die Suche nach Funktionen ist ein sinnvolles Forschungsprogramm. Hier hat das Evolutionsparadigma in der Vergangenheit Wissensfortschritt verhindert (Rudimente-Problematik, Biogenetisches Grundgesetz: „funktionslose evolutionäre Relikte“ etc.; vgl. Anhang 1 weiter unten). Die Vorgabe von „Schöpfung“ kann in manchen Fällen also Forschung eher fördern als die Vorgabe von Makroevolution.

3. Der Ansatz des „Intelligent Design“ strebt dadurch ein volles Verständnis vergangener Abläufe an, dass alle Möglichkeiten für den Ursprung biologischer Systeme – Zufall, Gesetzmäßigkeit und Intelligent Design – offengehalten werden. Dabei darf nicht vorschnell auf ID geschlossen werden, sondern erst nach eingehender Prüfung. Ohne Forschung kann es keinen begründeten Schluss auf ID geben. Ruse (2003, 268) schreibt, dass die Erforschung der Lebewesen auf eine Art und Weise erfolgt, als seien diese erschaffen worden (das genaue Zitat steht im Anhang 1 weiter unten). Es dürfte kaum einen besseren Beweis dafür geben, dass die Annahme von Schöpfung Forschung nicht verhindert, sondern motiviert.

6. Im Rahmen des Schöpfungsparadigmas kann nach Belieben auf übernatürliche Eingriffe rekurriert werden; es gibt keine Garantie für Gesetzmäßigkeiten. (Ohne Gesetzmäßigkeiten keine Wissenschaft.)

Antwort: Wissenslücken dürfen nicht nach Belieben durch Hinweise auf Schöpfungsakte gefüllt werden.

Anhang 1: Evolutionsparadigma als Forschungshindernis?

Die Frage, unter welchem Paradigma – Schöpfung oder Evolution – Forschung eher gefördert oder behindert wird, ist nicht einfach und plakativ beantwortbar. Die Situation muss schon deshalb differenziert beurteilt werden, weil das Evolutionsparadigma in der Vergangenheit manchen Wissensfortschritt verhindert hat.

Vor allem die Annahme der Funktionslosigkeit von Organen aufgrund evolutionärer Rückbildung (Rudimentation) und das Biogenetische Grundgesetz wirken bzw. wirkten forschungshemmend. Wenn etwa bestimmte scheinbare Umwegentwicklungen in Embryonalentwicklungen als Relikte stammesgeschichtlicher Vorfahren interpretiert werden, kann von dieser Vorstellung her wenig Neigung bestehen, dem Sinn solcher Entwicklungswege auf den Grund zu gehen. Dasselbe gilt, wenn Organe wie das Steißbein des Menschen, die Splintbeine der Pferde und viele andere Organe als funktionslos angesehen werden, weil sie evolutionstheoretisch als Reste ehemals funktionsfähiger Strukturen interpretiert werden.

Tatsächlich wurden dennoch in vielen Fällen angemessene Funktionen entdeckt, dies geschah aber nicht aufgrund einer evolutionstheoretischen Motivation. Vielmehr werden in der Praxis der Forschung Organismen so behandelt, als seien sie für bestimmte Zwecke erschaffen wurden. Die Forschung ist also de facto vom Intelligent-Design-Gedanken motiviert, auch wenn formell das Evolutionsparadigma zugrundegelegt wird bzw. wenn ohne ausdrücklichen Bezug auf Ursprungsfragen geforscht wird: „We treat organisms – the parts at least – as if they were manufactured, as if they were designed, and then we try to work out their functions. End-directed thinking – teleological thinking – is appropriate in biology because, and only because, organisms seem as if they were manufactured, as if they had been created by an intelligence and put to work“ (Ruse 2003, 268). Rammerstorfer (2004, 5) kommentiert dieses Statement: „Ruse sagt hier nichts anderes, als dass man Organismen erforscht, in dem man so tut, als wären sie designed. Und diese fruchtbare Arbeitsmethodik ist letztlich der Faktor, der Biologen immer wieder in die Situation bringt, „Suboptimalität" zu hinterfragen – sogar wenn sie streng evolutionistisch denken.“ Und Gutmann & Peters (1973) schreiben in diesem Sinne: „Die Suche nach Funktionen ist ein sinnvolles Forschungsprogramm, das unsere unzulänglichen Funktionskenntnisse vorantreiben und die vielfachen Hinweise auf sogenannte funktionslose Organe eliminieren wird.“ Cain (1989, 18) schließlich stellt fest, dass man nicht motiviert sein werde, bestimmte Merkmale zu untersuchen, wenn man dogmatisch voraussetze, dass sie nicht-adaptiv sein müssten.

Folgt man in den genannten oder ähnlichen Fällen jedoch evolutionstheoretischen Deutungen, werden bestimmte Aspekte organischer Konstruktionen ins Dunkle einer spekulativen evolutiven Historie geschoben, statt ein vertieftes Verständnis durch weitere Forschung anzustreben. Bestimmten Fragen wird gar nicht nachgegangen, weil bzw. wenn von Makroevolution als Tatsache ausgegangen wird.

Anhang 2: Das Problem des „Lückenbüßer-Gottes“

Im Zusammenhang mit den hier diskutierten Fragen steht auch das Problem des „Lückenbüßer-Gottes“. Wird Gott als Schöpfer immer dann bemüht, wenn wir Phänomene nicht verstehen? Wenn das so wäre, könnte man mit Recht eine zunehmende Einengung des „Handlungsspielraums“ Gottes anprangern, denn unser Wissen nimmt zu. Die Begründung für das Schöpfungsparadigma braucht offenkundig eine andere Basis als unser Nichtwissen. In diesem Artikel ist die Begründung die Offenbarung, die uns in der Heiligen Schrift gegeben wird. Von da aus wird weitergefragt, wie die Daten der Natuwissenschaften damit in Beziehung gesetzt werden können. Darüber hinaus sei darauf hingewiesen, dass der Ansatz des „Intelligent Design“ ebenfalls nicht auf Nichtwissen rekurriert. Vielmehr geht es darum, anhand positiver Evidenzen „Design-Signale“ zu erkennen (vgl. VII.16.6 im Lehrbuch).

Anhang 3: Anhang 3: Forschung ohne Naturgesetze?

Das Schöpfungsparadigma beinhaltet naturgemäß, dass es Vorgänge gab und auch weiterhin geben kann, die nicht theoretisch beschrieben werden können, die also nicht auf Gesetzmäßigkeiten zurückgeführt und nicht durch Naturgesetze beschrieben werden können. Dazu gehören insbesondere die Entstehung des Lebens sowie die Entstehung neuer Konstruktionen. Wie kann unter dieser Vorgabe erkenntnisfördernde Wissenschaft betrieben werden?

Präbiotische Chemie. Im Rahmen des Schöpfungsparadigmas wird das Leben als naturalistisch unableitbares Phänomen angesehen. Alle Versuche, die Entstehung des ersten einfachen Lebens (falls es einfaches Leben überhaupt gibt) naturalistisch zu erklären, erscheinen daher sinnlos, weil sie von einer falschen Voraussetzung ausgehen würden, wenn Leben tatsächlich geschaffen wäre. Wer also davon überzeugt ist, dass die Entstehung des Lebens durch natürliche Prozesse nicht möglich ist, wird die Frage nach einer natürlichen Lebensentstehung gar nicht stellen. Er wird damit aber auf potentielle Erkenntnisse verzichten. Ist also die Vorgabe, Leben sei erschaffen, also nicht doch wissenschaftshemmend oder gar wissenschaftsfeindlich?

Das muss nicht der Fall sein. Denn unter der Vorgabe von „Schöpfung“ kann man die Erwartung formulieren, dass die Erzeugung von Lebewesen, ausgehend von anorganischen Stoffen, nur unter Einsatz von Planung und mit einem ausgeklügelten Versuchsaufbau möglich ist. Der im Rahmen des Naturalismus Forschende hat eine gegensätzliche Erwartung. Er geht davon aus, dass die Entstehung des Lebens ohne Einsatz von Planung möglich war und dass natürliche Faktoren dafür ausreichen. Welche Auswirkungen haben diese gegensätzlichen Erwartungen für die konkrete Forschung? Die vielleicht überraschende Antwort: Sie müssen nicht notwendigerweise Auswirkungen haben. Denn unabhängig von den zugrundeliegenden Erwartungen kann empirisch untersucht werden, welche Gesetzmäßigkeiten die Materie besitzt, wie chemische Prozesse ablaufen, unter welchen Umständen Moleküle katalytische Wirkung haben, ob sich Moleküle selber vervielfältigen usw. Gleichgültig, in welchem Paradigma gearbeitet wird, muss möglichst viel über zelluläre Prozesse, über Genetik u.v.a. in Erfahrung gebracht werden, damit man weiß, was man überhaupt erklären muss, wenn man die Entstehung des Lebens – naturalistisch oder geschaffen – erklären will.

Die Erkenntnisse, die gewonnen werden können, sind also dieselben, unabhängig davon, in welchem Paradigma man forscht. In einem zweiten Schritt müssen die gewonnenen Ergebnisse bewertet werden: Was tragen sie aus bezüglich der Frage, wie Leben erstmals entstanden ist? Angenommen, es gelänge tatsächlich, Leben im Labor de novo zu erzeugen. Wenn dies ohne Zutun eines Chemikers und ohne durchdachten Versuchsaufbau gelingt, hätte man bewiesen, dass Leben spontan entstehen kann. Die Aussage „Leben entsteht nur aus dem Leben“ wäre widerlegt. Damit ist auch klar: Die vom Schöpfungsparadigma motivierte Aussage Omne vivum ex vivo ist widerlegbar. Und es gilt: Aus dem Schöpfungsparadigma folgen hier nicht beliebige Erwartungen.

Angenommen aber, es gelingt nur dann, Leben zu erzeugen, wenn viel Know how in die betreffenden Experimente gesteckt wird. Dann wäre gezeigt, dass Leben entstehen kann, wenn es einen fähigen Urheber gibt. Alle Versuche also, die Entstehung des Lebens naturalistisch zu erklären, sind von vornherein zum Scheitern verurteilt, wenn dabei Know how investiert wird. Alle diese Versuche – unter welcher Leitanschauung auch immer sie durchgeführt werden – sagen zudem nichts darüber, wie Leben auf unserer Erde in der Vergangenheit tatsächlich entstanden ist. Sie zeigen im günstigen Fall nur Möglichkeiten auf, wie es gewesen sein könnte. Die Frage nach dem Ursprung des ersten Lebens ist eine historische Frage, die nicht durch Laborexperimente beantwortet werden kann.

An dieser Stelle muss wieder daran erinnert werden, dass in historischen Fragen auf der Basis empirischer Befunde nur Plausibilitätsbetrachungen möglich sind. Angenommen, die Erzeugung von Leben gelänge ohne Know how eines Experimentators, dann hätte die Vorstellung von einer natürlichen Entstehung des Lebens auf unserer Erde natürlich enorm an Plausibilität gewonnen; im anderen Fall wäre dies unplausibel. Wenn trotz vieler Bemühungen nicht gezeigt werden könnte, dass Leben „von alleine“ entstehen kann, und wenn man darüber hinaus zeigen kann, dass chemische Gesetzmäßigkeiten gegen eine natürliche Entstehung sprechen, dann muss die Hypothese von der spontanen Lebensentstehung als ausgesprochen unplausibel gelten, da bewährte Gesetzmäßigkeiten gegen sie sprechen. Dies ist auch tatsächlich der Fall, vgl. IV.7 im Lehrbuch.

Entstehung neuer Konstruktionen. Die Situation ist hier vergleichbar mit der Frage nach der erstmaligen Entstehung des Lebens (Abiogenese). Wie auf dem Gebiet der Abiogenese wird im Rahmen des Schöpfungsparadigmas davon ausgegangen, dass die Entstehung irreduzibel komplexer Strukturen naturalistisch nicht erklärbar ist, sondern Planung erfordert. Es wird also vermutet, dass es keine Theorie gibt und geben wird, die die Entstehungsweise irreduzibel komplexer Organe allein mit Hilfe natürlicher Gesetzmäßigkeiten beschreiben kann. Wie im Falle der Entstehung des Lebens kann es im Rahmen des Schöpfungsparadigmas nicht darum gehen, eine alternative Theorie zu evolutionär-mechanistischen Theorien aufzustellen. Auch hier stellt sich damit die Frage, ob dadurch Forschung verhindert wird.

Zweifellos entfällt im Rahmen des Schöpfungsparadigmas eine bestimmte Motivation für Forschung, nämlich die Motivation, die Entstehung der Baupläne des Lebens vollständig und ausschließlich auf Naturgesetze zurückzuführen. Dennoch gibt es Forschungsinteresse im Bereich der kausalen Evolutionsforschung, jedoch mit anderer Motivation. Es geht nämlich auch im Rahmen der Grundtypenbiologie darum, die Wandlungsmöglichkeiten der Grundtypen durch natürliche Prozesse auszuloten. Die konkrete Forschung erfolgt methodisch auch nicht anders als Forschung im Rahmen des Evolutionsparadigmas. Unterschiedlich sind neben der Motivation auch die Erwartungen an die Ergebnisse. Im Rahmen der Grundtypenbiologie besteht großes Interesse, die Hypothese von der Polyvalenz der Stammformen zu testen.

Auch auf dem Gebiet der kausalen Evolutionsforschung dürfte es schwer fallen, empirische Befunde zu nennen, die bei Vorgabe des Schöpfungsparadigmas nicht hätten gewonnen werden können bzw. welche Forschungen verhindert worden wären. Die Bemühungen um die Klärung der Ursachen für evolutiven Wandel könnten ja durchaus zur Erkenntnis führen, dass nur unter Einsatz von Planung ein Wandel bewerkstelligt werden kann.

Literatur
Cain AJ (1989)
The perfection of animals. Biol. J. Linn. Soc. 36, 3-29.
Chalmers AF (2001)
Wege der Wissenschaft. Berlin.
Gutmann WF & Peters DS (1973)
Konstruktion und Selektion: Argumente gegen einen morphologisch verkürzten Selektionismus. Acta Biotheoretica 22, 151-180.
Hemminger H (1988)
Kreationismus zwischen Schöpfungsglaube und Wissenschaft. Ein Beitrag zur naturwissenschaftlichen und theologischen Auseinandersetzung. Evang. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen. Orientierungen und Berichte Nr 16
Junker R (1994)
Leben durch Sterben? Schöpfung, Heilsgeschichte und Evolution. Neuhausen-Stuttgart.
Junker R & Scherer S (2001)
Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Gießen.
Mahner M (1989)
Warum eine Schöpfungstheorie nicht wissenschaftlich sein kann. Praxis der Naturwissenschaften – Biologie 8/38, 33-36.
Mahner M (2002)
Kreationismus. In: Sauermost R & Freudig D (Red.) Lexikon der Biologie, Bd. 8. Heidelberg, S. 202-203.
Neukamm M (2004)
Kreationismus und Intelligent Design: Über die wissenschaftsphilosophischen Probleme von Schöpfungstheorien. http://www.martin-neukamm.de/kreation.pdf (Version vom 12. 10. 2004; Zugriff am 8. 12. 2004)
Rammerstorfer M (2004)
Nervus laryngeus recurrens – suboptimal? http://members.aon.at/evolution/NLrecurrens.pdf
Ruse M (2003)
Darwin and Design. Does Evolution have a purpose? Harvard University Press.

Studiengemeinschaft WORT und WISSEN e.V.
Letzte Änderung: 03.04.2008
Webmaster